Lageplan des Ginkaku-ji in Kyoto
Lageplan des Ginkaku-ji in Kyoto

Der nicht-silberne Pavillon

Heißt dieser zen-buddhistische Tempel offiziell auch Jisho-ji, so kennt man ihn eher unter dem Namen Ginkaku-ji, „Tempel des Silbernen Pavillon". Die Namensgebung fand wohl in Anlehnung an sein vermeintliches Gegenstück des goldenen Pavillon im Kinkaku-ji statt, doch anders als dieser, ist der silberne Pavillon nicht mit dem namensgebenden Edelmetall überzogen.
Der Ginkaku-ji ist eine von zahlreichen UNESCO-Welterbestätte in Kyoto und gut geeignet als Ausgangspunkt für ein Tagesprogramm im östlichen Teil der Stadt. Für Japan-Kenner gehört er zu Kyotos Top 10 Tempel.

Leuchtend grüne Sträucher und der Teich vor dem Pavillon des Ginkaku-ji
Der Pavillon ist eingebttet in eine dicht bewachsene Gartenanlage.

Ruhesitz des Shogun

Wie viele Tempel in Kyoto wurde auch der Ginkaku-ji ursprünglich als fürstlicher Ruhesitz gebaut. Shogun Yoshimasa ließ 1482 die Gebäude als seine Residenz in Kyoto errichten. Er war Enkel des Shogun Yoshimitsu, der seinerseits den Bau des goldenen Pavillon des heutigen Kinkaku-ji in Auftrag gab.
Gemäß dem Wunsch von Yoshimasa wurde sein Ruhesitz nach seinem Tod in eine Zen-Schule der Rinzai-Linie umgestaltet und hieß fortan Jisho-ji. Hier förderte er die Kultur seiner Zeit, welche mit dem Begriff Higashiyama-Kultur berühmt wurde. Higashiyama bezeichnet die östlichen Berge von Kyoto, an denen seine Residenz lag und der heutige Tempel des Ginkaku-ji liegt.

Erster Teeraum der Menschheit

Das Erdgeschoss des Ginkaku-ji ist noch im Shinden-Stil erbaut und beinhaltet Shinkuden, die „Halle der Leerheit". Das Obergeschoss ist im Stil chinesischer Zen-Schulen errichtet. Daher findet sich hier auch der Chô-on-den, der „Raum der bewegten Wellen“. Als Kultur-Förderer beauftragte Yoshimasa den Künstler Kano Masanobu (1434-1530) mit Wand- und Türmalereien.

Der Togu-do („Suche-des-Ostens-Ort“) ist das zweite Gebäude des Ginkaku-ji. Es wurde im damals neuen Stil des Shoin erbaut. In ihm befindet sich der erste Teeraum der Menschheit, der ausschließlich für Tee-Zusammenkünfte im Sinne der japanischen Teezeremonie und des Teeweg konzipiert war. Dieser Teeraum trägt den Namen Dojinsai und ist der Prototyp aller nachfolgenden Teeräume bis heute mit einer Größe von viereinhalb Tatami-Matten. In diesem Teeraum trafen sich die führenden Zen- und Teemeister jener Zeit, sowie Künstler, Schauspieler und Dichter. Hervorzuheben ist v.a. Murata Juko (1423-1502), der als Zen- und Teemeister, Architekt und Multitalent den Teeraum baute und Teile des Gartens gestaltete.

Was bedeuted der Sandkegel?

Im Garten des Ginkaku-ji ist besonders der weltweit einmalige, große Sandkegel mit rund 1,5 Metern Höhe und die erhöht angelegte Kiesfläche zu erwähnen. Vom Obergeschoß aus hat man einen optimalen Blick auf den abgeplatteten Kegel, der in der Nacht den Eindruck aufkommen lässt, man sehe den sich im Wasser spiegelnden Mond.

Hoher Kegel aus Sand in Freifläche des Gartens im Ginkaku-ji
Der berühmte Sandkegel im Garten des Ginkaku-ji

Dies ist in höchstem Maß erstaunlich, ja fast surreal, um nicht zu sagen typisch zen-gemäß. Man schaut nämlich hierbei nach Norden, wo man den Mond bekanntlich gar nicht sehen kann. Ausserdem suggeriert die geharkte Kiesfläche dahinter ein bewegtes Gewässer, die vermeintliche Spiegelung aber zeigt einen absolut unbewegten Mond. Bedenkt man, dass der Mond für Erleuchtung steht, Satori, so erklärt sich diese recht eigenwillige Anlage.
Meint man zumindest. Denn wie kann man Erleuchtung erlangen, wenn man in die falsche Richtung schaut? Schaut man jedoch nach Süden, in die richtige Richtung, kann man den Sandkegel nicht sehen. Man kann sich nur im Kopf vorstellen, wo er ist und wie er aussieht. Aber eben nur im Kopf, nicht real. Sieht man ihn, den Sandkegel, real, ist man ebenfalls in einer irrealen Situation.

So oder so eine vertrackte Situation, die besagter Teemeister Juko, Schüler von Zen-Meister Sôjun Ikkyu (1394-1481), damals im Garten des Ginkaku-ji kreiert hat.