Lageplan des Ryoan-ji in Kyoto
Lageplan des Ryoan-ji in Kyoto

Wandel vom Adelssitz zum Tempel

Der Ryoan-ji war wie viele Tempel Kyotos ursprünglich ein Adelssitz. Das Gebäude wurde für den Fujiwara-Clan um 1449 von Hosokawa Katsumoto gebaut, welcher später auch am Bau des Ginkaku-ji Tempel beteiligt war. Man baute das Hauptgebäude 1494 um und wandelte den Ort zum zen-buddhistischen Tempel. Ryoan-ji kann etwa mit "zen-buddhistische Schule des zur Ruhe gekommenen Drachen" übersetzt werden.
Der Garten im Stil eines Karesansui, also eines Trockengarten, ist vermutlich von Teemeister Soami oder Teemeister Murata Juko erbaut worden, der auch den Teeraum Dojinsai im Ginkaku-ji baute. Der südlich davon befindliche Teich stammt vermutlich sogar schon aus dem 12. Jahrhundert und gab der Anlage ursprünglich den Namen Oshidori-dera, Mandarin-Enten Tempel.
Tempel und Garten des Ryoan-ji sind die absolute Nummer 1 auf der Liste von Kyotos Top 10 Tempel.

Geöffnete große Halle mit bemalten Schiebetüren und Tatami-Matten im Ryoan-ji
Große Dharma-Halle bei Nachmittagslicht

Unter allen Gärten Japans hat der Ryoan-ji wohl den bedeutendsten und weltweit berühmtesten Garten. Zwar sind die Tempel und Gärten des Daisen-in, Kinkaku-ji, Ginkaku-ji, Tofuku-ji, Tenryu-ji oder auch Kennin-ji ebenfalls weltberühmt, doch konnten sie nie den Status des Ryoan-ji erreichen. Hat man in seinem gesamten Leben nur eine Stunde Zeit, um etwas über Japan und die Kultur des Zen zu erfahren, so sei dieser Garten der Gärten jedem ans Herz gelegt. Keiner, der sich einmal wirklich auf diesen Garten einließ und dort still saß, ging, wie er gekommen war.

Daher darf es nicht verwundern, wenn der Ryoan-ji wie kaum ein anderer Garten der Menschheit zu so vielen Diplomarbeiten, Promotionen u.d.m. angeregt hat. Dabei besteht diese scheinbar schlichte Anlage nur aus einer Kiesfläche von heute 21,10 Metern auf 9,30 Metern, in der 15 Felsen unterschiedlicher Größe mit etwas Moos am Saum ruhen und die mit einer als nationales Kulturgut ausgewiesenen Lehmwand den Hintergrund abgrenzt.

Änderungen im Garten

Ursprüngliche war die Fläche des Garten nach Osten um etwa 4 Meter breiter, also gut 25,10 Meter lang. Das kann man noch heute sehr gut an den alten Randsteinen erkennen. Der neue Zugang zum Hojo (Haupthalle) schneidet durch die alte Fläche und verfälscht die Proportionen. Die heutige Anlage lässt die im rechten Teil noch erlebbare Stille und entspannte Großzügigkeit im linken Teil vermissen. So wird die Gruppe aus fünf Felsen links nun von dem nachträglich eingebauten Weg bedrängt.

Umgebung und Ausrichtung

Den Garten muss man sich auch ohne die Lehmwand vorstellen, welche die gestaltete Fläche zum Hintergrund begrenzt. Ursprünglich wandte man hier das Konzept der so genannten geborgten Landschaft an, also das Miteinbeziehen der Umgebungs-Landschaft im Hintergrund als Teil der Gestaltung im Vordergrund. Man konnte über den tiefer liegenden alten Teich hinwegschauen, mit einem grandiosen Blick auf Kyoto. Es darf spekulativ angenommen werden, dass die Gartenfläche statt durch eine Mauer mit einer Reihe Azaleen oder niedrigen Hecke aus Kamelien wie in anderen Tempeln gerahmt und nicht begrenzt wurde. Die Ausrichtung und der dynamische Verlauf der Felsen-Gruppen zeigt symbolisch nach Westen, hin zum von dort erwarteten nächsten 5. Buddha Maitreya, der Shakyamuni Buddha (566-486) folgen soll und zwar etwa 2500 Jahre nach ihm.

Bedeutung des Ryoan-ji als Zen-Garten

Die Interpretationen über den Symbolgehalt im Zen-Garten des Ryoan-ji sind so zahlreich wie töricht. Mittels Denken und fern eines Meeres kann man bekanntlich nicht Schwimmen lernen. Alle Arten von Analyse sind daher von Anfang an unsinnig. Zum einen ist seit Heisenber bekannt, dass „das Ganze mehr [ist], als nur die Summe seiner Teile“ (vgl. "Der Teil und das Ganze": W.Heisenberg, 1969). Zum anderen kann man das Ganze nur erfassen, wenn man sich ganz darauf einlässt. Das wiederum macht ein Überwinden des Dualismus durch Praktizieren von Zazen und Teeweg unumgänglich, denn nicht ohne Grund sind die Garten-Erschaffer Japans Zen-Meister und noch häufiger Teeweg-Meister. Ohne Überwindung kein wirkliches Sehen und Kreieren. Es bliebe nur ein oberfläches Design. Auch das lehrt zeitlos der Garten des Ryoan-ji.

Der Ryoan-ji zeigt, wenn man sich auf den Garten vollständig einlässt, zugleich auch den Weg zu Respekt, Demut, Stille und wahrem Tun. Somit zeigt er uns Menschen, was wir vermögen, wenn wir an uns arbeiten und die Vorstellung eines törichten ICH überwinden, wenn wir alle Hürden und damit letztlich uns selbst meistern. Als scheinbar wahllos Ins-Leben-Gestellte und dennoch an rechter Positition.
Jeder mag einmal in Gedanken die Position der Felsen des Ryoan-ji verändern und wird verblüfft feststellen, dass so, wie die Felsen liegen, der Garten vollkommen ist und von absoluter Beschaffenheit. Jenseits von beliebigem Geschmack und Meinung und all den Ismen, die wir Menschen als Ersatzerklärung für die Welt erfunden haben.

Einfach nur Sein im Ozean des So-Seins. Tag für Tag. Das zeigt der Garten des Ryoan-ji.